Vier-Stufen-Plan: Mindestlohn soll im Jahr 2022 bis auf 10,45 Euro steigen
Für Geringverdiener ist es eine gute Nachricht: Die Mindestlohn-Kommission schlägt eine Erhöhung des Mindestlohns auf 10,45 Euro pro Stunde vor, die Bundesregierung wird dieser Empfehlung wahrscheinlich folgen. Insgesamt soll die Lohnuntergrenze in vier halbjährlichen Stufen 2021 und 2022 steigen. Momentan liegt die Mindestvergütung bei 9,35 Euro.
Deutliche Steigerung des gesetzlichen Mindestlohns bis 2022
Im Abstand von zwei Jahren setzen sich die Vertreter der Mindestlohn-Kommission zusammen und erarbeiten einen Vorschlag über die künftige Höhe der Lohnuntergrenze. Diese Kommission besteht aus Vertretern der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer und unabhängigen Wissenschaftlern. Dieses Mal erwarteten Beobachter die Entscheidung angesichts der Corona-Ausbreitung und den negativen wirtschaftlichen Folgen mit großer Spannung. Bisher hat sich die Kommission vor allem an der Entwicklung der Tariflöhne orientiert, sie muss aber auch gesamtwirtschaftliche Abwägungen treffen. Mit Verweis auf die Krise forderten verschiedene Arbeitgebervertreter eine Nullrunde. Damit konnten sie sich nicht durchsetzen. Die Kommission beschloss stattdessen einstimmig eine Erhöhung in vier Stufen:
- 01. Januar 2021: 9,50 Euro
- 01. Juli 2021: 9,60 Euro
- 01. Januar 2022: 9,82 Euro
- 01. Juli 2022: 10,45 Euro1
Die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Entscheidung
Viele Unternehmen leiden unter dem wirtschaftlichen Abschwung, den das Corona-Virus und die staatlichen Gegenmaßnahmen verursacht haben. Aus diesem Grund plädierten Arbeitgeber und Ökonomen dafür, den Mindestlohn nicht oder nur geringfügig anzuheben. Die Gewerkschaften pochten dagegen auf eine deutliche Steigerung, sie streben einen Mindestlohn von mindestens 12 Euro an. Entsprechend verhärtet waren die Fronten vor dem Treffen der Mindestlohn-Kommission. Das Ergebnis ist ein klassischer Kompromiss: Insgesamt steigt der Mindestlohn um 1,10 Euro und damit in einem relevanten Maß, die Mitglieder haben sich jedoch auf eine zeitliche Verzögerung verständigt. Die ersten drei Stufen sind überschaubar, die Erhöhungen betragen 15 Cent, 10 Cent und 22 Cent. Erst Mitte 2022 können sich Geringverdiener über eine größere Steigerung in Höhe von 63 Cent freuen. Die Vertreter wollen Arbeitgeber inmitten der Krise nicht zu stark belasten und glauben, dass der folgende Wirtschaftsaufschwung ab 2022 Spielraum für eine umfangreichere Erhöhung des Mindestlohns lässt.
Viele Geringverdiener profitieren, aber nicht alle
Die Lohnuntergrenze kommt fast allen volljährigen Arbeitnehmern zugute, es gibt aber wenige Ausnahmen:
- Langzeitarbeitslose: In den ersten sechs Monaten nach dem Jobbeginn dürfen Arbeitgeber ihnen einen geringeren Lohn zahlen. Dadurch soll die Chance steigen, dass Unternehmen langjährige und schwer vermittelbare Arbeitslose einstellen.
- Azubis: Auszubildende erhalten keinen Mindestlohn, sondern eine Ausbildungsvergütung.
- Pflichtpraktikum: Schüler oder Studenten, die im Rahmen der Ausbildung ein Pflichtpraktikum absolvieren.
- Freiwillige Praktika: Wenn das Praktikum nicht länger als drei Monate dauert, muss der Arbeitgeber kein Mindestlohn zahlen. Ab dem vierten Monat würde der Praktikant einen Anspruch auf Mindestlohn haben.2
Erhöhter gesetzlicher Mindestlohn: Effekt auf branchenbezogene Mindestlöhne
Bei der Betrachtung der Lohnuntergrenzen sind zwei Varianten zu unterscheiden: Bei der Mindestvergütung von aktuell 9,35 Euro, die schrittweise auf 10,45 Euro steigt, handelt es sich um die allgemeine gesetzliche Untergrenze. Diesen Lohn erhält jeder Arbeitnehmer, die Branche spielt keine Rolle. Darüber hinaus können Arbeitgeber und Arbeitnehmer Branchen-Mindestlöhne aushandeln, diese erklärt die Bundesregierung anschließend für allgemeingültig. Unabhängig von der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband muss sich jede Firma in der jeweiligen Branche an diesen spezifischen Mindestlohn halten. Ein Beispiel: Beschäftigte in der Pflegebranche verzeichnen seit Anfang 2020 im Westen mindestens 11,35 Euro die Stunde, im Osten 10,85 Euro. Diese Tarife in den einzelnen Wirtschaftssektoren liegen höher als der allgemeine Mindestlohn. Es gibt eine Wechselwirkung: Steigt die gesetzliche Lohnuntergrenze, übt das Druck auf die Tarifpartner der einzelnen Branchen aus. Konkret bedeutet das in diesem Fall, dass auch die Branchen-Tariflöhne spätestens im Jahr 2022 deutlich steigen dürften. Eine Abweichung droht aus Sicht der Arbeitnehmer nur, wenn sich Corona auf einen Sektor besonders negativ auswirkt.
Ausblick: Bundestagswahl und Corona-Krise entscheiden über künftige Entwicklung
Viele Geringverdiener richten ihren Blick neugierig nach vorne und wollen wissen, wie es ab 2023 weitergeht. Das lässt sich kaum prognostizieren, zwei Faktoren fallen ins Gewicht. So findet 2021 die Bundestagswahl statt. Die Parteien SPD, Grüne und Linke setzen sich für eine stärkere Erhöhung des Mindestlohns ein. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nennt zum Beispiel die Richtmarke von 12 Euro eine „gute Orientierung“. Der Ausgang der Bundestagswahl und die Konstellation in der künftigen Regierung können einen gravierenden Einfluss auf die Höhe des Mindestlohns haben. Zusätzlich kommt es darauf an, wie die deutsche Wirtschaft die Corona-Krise verkraftet und welche Entscheidungen die Tarifparteien in den nächsten zwei Jahren treffen. Die Mindestlohn-Kommission zieht die durchschnittlichen Tariferhöhungen als wesentliches Entscheidungskriterium heran, deswegen verdienen die nächsten Tarifverhandlungen in den vielfältigen Branchen einen genauen Blick. Die Resultate lassen sich aufgrund der dynamischen ökonomischen Situation heute nicht vorhersagen.
1 Zeit Online zu „Mindestlohn soll bis 2022 auf 10,45 Euro steigen“ (Stand: 30.06.2020)
2 Deutscher Gewerkschaftsbund zum Thema „Gesetzlicher Mindestlohn und Branchenmindestlöhne“ (Stand: 22.01.2020)
Ich heiße Quang Lam und arbeite bei der Hegner & Möller GmbH als Marketing Director. Ich interessiere mich sehr stark für die Themen Finanzen und Sport. In meiner Freizeit gehe ich gerne laufen und betreibe auch einen Laufblog. Ich schreibe für den creditSUN Blog nur über die Themen, die mich auch wirklich interessieren.