Wirecard-Aktie stürzt ab und erlebt Desaster: Knapp 70% Kursabfall
Das Drama um den Finanzdienstleister Wirecard geht weiter und spitzt sich zu, die Wirecard-Aktie stürzt ab: Am Donnerstag verlor die DAX-Aktie in der Spitze bis zu 66%. Zum wiederholten Mal muss der Konzern die Präsentation des Jahresabschlusses verschieben, er erhält von den Wirtschaftsprüfern nicht das erforderliche Testat. Das ist ein seltener Vorgang, der Grund liegt in der vermutlichen Bilanzmanipulation bei Wirecard. Wird Wirecard sogar bald wie die Lufthansa aus dem DAX fliegen? Auch die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen.
Dramatischer Kursabfall für Wirecard und deren Aktionäre
Der Finanzdienstleister Wirecard galt als Star auf dem deutschen Börsenparkett. Bei Fintechs sind US-Konzerne wie PayPal dominant, Wirecard setzte dem als erstes deutsches Unternehmen ein erfolgreiches Konzept entgegen.
Doch nun ist Wirecard in der Krise und die Wirecard-Aktie stürzt ab! Diese negative Presse hat sich die Aktiengesellschaft selbst eingebrockt, heute folgt ein neuerlicher Tiefpunkt. Händler hatten erwartet, dass Wirecard nach mehrmaligen Verlegungen endlich seine Geschäftszahlen für 2019 präsentiert. Stattdessen schockte der Konzern mit einer Ad-hoc-Mitteilung, die in die Geschichtsbücher der Frankfurter Börse eingehen wird: Die Verantwortlichen informieren darüber, dass die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young für den Jahresabschluss kein Testat geben wollen. Sie begründen das mit fehlenden Prüfnachweisen für Treuhandkonten mit einer Gesamtsumme von 1,9 Milliarden Euro. Das ist ein Viertel der Bilanzsumme.1
Die Prüfer erheben sogar den Vorwurf, dass ihnen aus Täuschungszwecken falsche Saldenbestätigungen vorgelegt wurden. Wirecard sieht sich seit vielen Monaten mit erheblichen Vorwürfen konfrontiert, doch das war auch hartgesottenen Anteilseignern zu viel: Sie stießen nach dieser Meldung in großem Ausmaß Aktien ab, die Papiere fielen von rund 100 Euro bei der Eröffnung auf etwa 40 Euro.
Wirecard in der Krise: Entwicklungen im Überblick
Seit der Gründung von Wirecard sah sich die Unternehmensführung mehrmals Vorwürfen der Manipulation ausgesetzt. Zwei Beispiele:
- 2008 beanstandet die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger eine irreführende Bilanzführung.
- 2017 berichtete das Manager Magazin von intransparenten Bilanzierungspraktiken.
Die aktuellen Turbulenzen resultieren aus drei Berichten der Financial Times, welche die anerkannte Wirtschaftszeitung im Januar und Februar 2019 veröffentlichte. Darin behaupten die Autoren, dass Mitarbeiter in Singapur systematisch Kunden und Umsätze erfunden hätten. Damit wollten sie laut Zeitung die Ertragsvorgaben erreichen und sich für eine Geschäftslizenz in Hongkong qualifizieren. Das Unternehmen mit Sitz in Aschheim bei München wies die Behauptungen scharf zurück und ging mit einer Unterlassungsklage gegen die Financial Times vor.
Wirecard beauftragte KPMG mit Sonderprüfung
Im Oktober untermauerte die Zeitung ihre Berichterstattung. Unter starkem öffentlichem Druck beauftragte Wirecard die Wirtschaftsprüfer von KPMG mit einer Sonderprüfung. Das Ergebnis veröffentlichte der Konzern am 27. April 2020 und sah sich entlastet.2 Marktteilnehmer und Beobachter fassten das Prüfungsergebnis anders auf: KPMG betonte, dass entscheidende Daten zur Auswertung gefehlt haben. Entsprechend konnte nach Meinung von Experten keine Rede von einer vollständigen Entlastung sein. Zwei Tage später war die Bilanzpressekonferenz angesetzt, sie wurde aber auf unbestimmte Zeit verschoben. Heute wollte der Dienstleister sie nach langer Wartezeit nachholen, es wurde wieder nichts. Stattdessen die Meldung „Kein Testat“ und als Konsequenz „Wirecard-Aktie stürzt ab“. Damit verschärft sich die Krise bei Wirecard. Das erfolgt wenige Tage nach einer Hausdurchsuchung am Hauptsitz, die nach einer Strafanzeige der Aufsichtsbehörde BaFin von der Staatsanwaltschaft München erwirkt wurde. Es besteht der Verdacht, dass Wirecard mit zwei Ad-hoc-Mitteilungen über den Sonderprüfbericht von KPMG Anleger in die Irre geführt hat.
Wirecard-Aktie stürzt ab: Händler fassungslos über den Konzern
Investoren verfolgen Wirecard in der Krise nur noch mit Kopfschütteln. Zum einen wiegen die Vorwürfe schwer, die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young erheben nun den Vorwurf der Täuschung.2 Zum anderen ist der Umgang der Verantwortlichen bei Wirecard dilettantisch. Anstatt die Berichterstattung einer renommierten Finanzzeitung ernst zu nehmen und dem Inhalt rasch und gründlich nachzugehen, beschränkte sich Wirecard auf rechtliche Mittel gegen die Financial Times. Erst nach anwachsendem Druck gingen sie den Behauptungen mit der Sonderprüfung nach. Dieser Abschlussbericht führte zum nächsten Desaster: Das Unternehmen betrachtete sich als entlastet, obwohl das der Prüfbericht in keiner Weise hergab. Die mehrmaligen Verschiebungen der Veröffentlichung des Abschlussberichts wirken ebenfalls so, als ob der Vorstand die Kontrolle verloren hat. Wenig glaubwürdig sind die neuen Reaktionen aus Aschheim: Der Vorstand bezeichnet sich als Opfer eines gigantischen Betrugs und stellt Strafanzeige gegen unbekannt. Es hilft nichts, die Anleger haben offenbar den Glauben verloren. Die Wirecard-Aktie stürzt ab, auch nach diesen Einlassungen des Unternehmens.
Verweigertes Testat: verheerende Folgen für Wirecard
Die Ad-hoc-Mitteilung enthält eine weitere schlechte Nachricht: Wenn die Aktiengesellschaft bis morgen kein Testat für den Jahresabschluss vorlegt, können Banken Kredite in Höhe von 2 Milliarden Euro kündigen. Nichts spricht dafür, dass der Finanzdienstleister diese Frist einhalten kann. Die Wirecard-Aktie stürzt ab, auch diese Information ist dafür verantwortlich. Es ist unsicher, inwieweit Wirecard danach noch zahlungsfähig sein wird. Aufgrund des Kurssturzes brauen sich weitere dunkle Wolken am Horizont zusammen. Ende September findet die Überprüfung und die neue Zusammensetzung des DAX statt. Notiert die Aktie unter rund 50 Euro, ist sie eine der Abstiegskandidaten. Ein Rauswurf aus dem DAX würde weitere Kursverluste bedeuten.
1 Handelsblatt zu „Prüfer sehen bei Wirecard Hinweise auf „Täuschungszwecke“ – Konzern kündigt Klage an“ (Stand: 18.06.2020)
2 Welt zu „Abschlussprüfer werfen Wirecard-Partnern „Täuschung“ vor – Aktie mehr als halbiert“ (Stand: 18:06.2020)
Mein Name ist Lutz Hegner. Seit 1991 bin ich als Geschäftsführer der Hegner & Möller GmbH täglich mit dem Thema FINANZEN beschäftigt und habe so das Glück, Interesse und Beruf verbinden zu können. Auf dem creditSUN Blog gebe ich gerne meine Expertise weiter und stehe als für Fragen im Bereich Finanzen gerne zur Verfügung.