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Droht uns eine Pleitewelle? Aussetzung der Insolvenzantragspflicht endet zum Mai

Beitrag wurde aktualisiert am 09.01.2024
Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Die Corona-Krise hat für viele Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten gebracht. Betrachtet man nur die Zahlen, zeigt sich ein trügerisches Bild. Lediglich 15.841 Unternehmensinsolvenzen wurden den Amtsgerichten im Jahr 2020 gemeldet.1 Das sind 15,5 % weniger als im Vorjahr und damit auch der niedrigste Stand seit 1999. Verantwortlich dafür ist aber kein Wirtschaftswunder, sondern vermutlich auch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. Diese Schonfrist endet ab 1. Mai 2021. Wird es eine Verlängerung geben und müssen Unternehmen bei Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit direkt Insolvenz anmelden?

Schonfrist für Unternehmen durch Corona: nicht alle sind gleichgestellt

Weiterhin der Schonfrist unterliegen jene Unternehmen, die immer noch auf bis dato nicht ausgezahlte Überbrückungs- und Staatshilfen warten. Dieser Umstand dürfte den Effekt ab 1. Mai mindestens dämpfen, denn bei den Auszahlungen aus den Hilfsprogrammen kommt der Staat längst nicht so gut voran, wie es den betroffenen Unternehmen lieb wäre. Zeitgleich zeigt sich anhand dieser Ausnahmeregelung die Unentschlossenheit auf politischer Ebene.

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wurde bereits mehrfach verlängert. Ursprünglich nur bis zum Herbst 2020 geplant, wurde sie bis zum 1. Februar 2021 verlängert, anschließend direkt noch einmal bis zum nun geltenden 1. Mai. Zwischendrin wurde die eben erwähnte Ausnahmeregelung für Unternehmen getroffen, die noch keine berechtigten Hilfszahlungen erhalten haben.

Kommt noch eine Verlängerung?

Bekanntlich ist die Corona-Pandemie längst nicht überstanden, wenn auch zuletzt konsequent starke Fortschritte in der Impfkampagne verbucht werden konnten. Vielen betroffenen Unternehmen halfen die aber wenig, denn sie dürfen teilweise seit Monaten nicht öffnen. Besonders die Gastronomie- und Hotelbranche sind stark davon betroffen. SPD und Union diskutieren nun, ob die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nicht erneut verlängert werden sollte – dafür bleibt aber nicht mehr viel Zeit. Zugleich zeigt sich die Politik uneinig. Während das Bundesjustizministerium angibt, eine Verlängerung sei zum aktuellen Stand nicht geplant, plädiert beispielsweise der rechtspolitische Sprecher der Sozialdemokraten, Johannes Fechner, öffentlich für eine Verlängerung. Ähnlich äußern sich kaum überraschend die besonders geplagten Vertreter aus der Hotellerie und der Gastronomie, die schon seit Wochen öffentlich auf eine Verlängerung pochen.

Werden Unternehmen Insolvenz anmelden müssen?

Für betroffene Unternehmen, die nicht von der oben genannten Ausnahmeregelung zur Aussetzung der Insolvenzpflicht profitieren, dürfte das zu spät sein. Sind diese gezwungen, zum 1. Mai in Insolvenz zu gehen, lässt sich das in der Realität nicht umkehren, selbst wenn die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht später wieder verlängert wird. Sobald die Insolvenz angemeldet ist, geraten die betroffenen Unternehmen unter großen Druck: Lieferanten verlangen fortan Vorkasse, Kunden beenden die Geschäftsbeziehung mitunter gänzlich, Mitarbeiter begeben sich auf die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz. Eine Umkehrung ist nach dem 1. Mai vielleicht auf dem Papier möglich, wird in der Realwirtschaft aber nicht funktionieren.

Simultan stellen sich Wirtschaftsvertreter die Frage: Was würde eine weitere Verlängerung überhaupt bringen? Auch in ein paar Wochen wird Corona nicht überstanden sein, bisher macht die Regierung zudem wenig Hoffnung, dass Geschäftsführern und Konsumenten ein „ganz normaler Sommer“ bevorstände. Bei einer kurzfristigen Verlängerung bis zum beispielsweise 1. Juni, geht es den geplagten Branchen aller Voraussicht nach danach genauso schlecht wie vorher – mitunter dürfen sie dann außerdem immer noch nicht öffnen und generieren demnach keine Umsätze.

Zur großen Pleitewelle muss es allerdings ab 1. Mai trotzdem nicht kommen

Die eingangs dargelegte Ausnahmeregelung wird den Effekt nach der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht definitiv bremsen. Außerdem stützen aktuell immer noch die Transfergelder für das Kurzarbeitergeld die Kassen vieler Unternehmen. Zugleich werden viele Unternehmen, wenn sie wieder wie gewohnt Umsätze generieren, erst herausfinden müssen, ob die wirtschaftliche Wiederbelebung zum Fortbestehen reicht – oder eben auch nicht. Ab 1. Mai wird des demnach vor allem die Härtefälle treffen: Unternehmen, die massiv überschuldet und zahlungsunfähig sind, für die selbst eine spontane Öffnung keine Besserung bringen würde.

Politik und Wirtschaftsvertreter stehen einer Verlängerung deshalb skeptisch gegenüber, weil sich dadurch das Haftungsrisiko der Unternehmen weiter steigert, Arbeitsplätze gefährdet und Gläubiger-Existenzen bedroht werden. Schlimmstenfalls staut sich die Zahl der zahlungsunfähigen, „eigentlich“ insolventen Unternehmen, die nur aufgrund der Aussetzung der Insolvenzpflichten noch bestehen. Es könnte aber ein Dominoeffekt eintreten, wenn insolventen Unternehmen ihre Verbindlichkeiten gegenüber Zulieferern und Geschäftspartnern nicht mehr nachkommen können und schlimmstenfalls eigentlich gesunde Unternehmen in die Insolvenz ziehen.

Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, Pleitewelle, Dominoeffekt: Müssen gesunde vor Zombieunternehmen geschützt werden?

Zombieunternehmen werden in der jüngeren Vergangenheit immer wieder als Gefahr für die Wirtschaft gesehen. Verantwortlich dafür ist aber nicht nur die Aussetzung der Insolvenzpflicht, sondern auch vorher schon der konsequent niedrige Leitzins, mit dem sich bedrohte Unternehmen durch günstige Kredite über Wasser halten. Mit einer Anhebung des Zinses, der zahlreiche Unternehmen aufgrund der angesammelten Schuldenlast bedrohen würde, ist in nächster Zeit nicht zu rechnen – mittelfristig aber wohl schon.
Die ausgesetzte Insolvenzpflicht verstärkt diese Gefahr aber weiter, denn diese Zombieunternehmen haben offene Rechnungen bei anderen Unternehmen, Schulden bei Banken und aktuell nicht einmal Umsätze. Mit einer Pleitewelle sofort in der ersten Maiwoche ist wahrscheinlich eher nicht zu rechnen – die Insolvenzen könnten aber im Verlauf des Jahres deutlich zunehmen. Hier muss man abwarten, ob es tatsächlich zu vielen Insolvenzanträgen kommen wird oder ob die Politik hier rechtzeitig die notwendigen Maßnahmen ergreift.

Ich heiße Quang Lam und arbeite bei der Hegner & Möller GmbH als Marketing Director. Ich interessiere mich sehr stark für die Themen Finanzen und Sport. In meiner Freizeit gehe ich gerne laufen und betreibe auch einen Laufblog. Ich schreibe für den creditSUN Blog nur über die Themen, die mich auch wirklich interessieren.

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